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Wer braucht noch Chefs?
Nehmen Sie sich 10 oder 15 Sekunden Zeit und stellen Sie sich vor, in der Organisation oder dem Unternehmen, in dem Sie zurzeit tätig sind, gäbe es keine Chefs mehr. Können und wollen Sie sich…
Nehmen Sie sich 10 oder 15 Sekunden Zeit und stellen Sie sich vor, in der Organisation oder dem Unternehmen, in dem Sie zurzeit tätig sind, gäbe es keine Chefs mehr. Können und wollen Sie sich das vorstellen? Und wenn ja, welche Gefühle löst diese Vorstellung in Ihnen aus? Sind es eher positive oder eher negative Gefühle?
Mit dieser Gegenfrage zum gesetzten Vortragsthema „Wer braucht noch Chefs?“ startete ich meine Keynote beim „Leadership Forum Bildung“ am 18. November in Berlin. Vor mir, im großen Saal der Robert Bosch Stiftung in der Französischen Straße 29, saßen rund 150 jetzige und zukünftige Führungskräfte, geförderte Stipendiaten, und hatten bereits einen interessanten und langen Tag hinter sich. Dabei ging es um die Frage, wie Führung heute und in der Zukunft gestaltet werden kann und soll.
Meine Frage löste spontane Reaktionen aus – vom sichtbaren Schmunzeln bis zum hörbaren Lachen und Murmeln. Die Gefühlslage angesichts der Vorstellung, dass es keine Chefs mehr gibt, erwies sich als gut durchmischt: die Hälfte blieb unentschieden, die andere Hälfte unterteilte sich etwa hälftig in positive und negative Gefühlsassoziationen. Bei der Anschlussfrage, ob wir in Zukunft noch Führung brauchen, herrschte dagegen zunächst Stille und dann vollkommene Übereinstimmung: Ja.
Die folgenden Impulse meines Vortrags basierten auf den Ergebnissen der Studie von Prof. Peter Kruse/nextpractice für das „Forum Gute Führung“ einerseits und dem Modell der „Führung hin zur Selbstorganisation“ wie es in der new&able praktiziert wird andererseits. „Enabling“ ist ein Schlüsselbegriff in diesem Modell, denn „Enabling“ durch Führung baut Hierarchiegrenzen ab und schafft Raum für die aktive Nutzung der Potenziale von Organisationsintelligenz.
„Es geht nicht ums `ob oder ob nicht´, sondern um ein neues Verständnis von Führung“ war die Essenz der anschließenden Podiumsdiskussion. Es geht ums „Warum“ und ums „Wie“. Ich war positiv überrascht und beeindruckt von der Offenheit und der klaren Sicht der Podiumsteilnehmer, die ermutigende Beispiele aus ihrer Führungspraxis einbrachten. „Und sie bewegt sich doch“, diese eigene Welt der Bildungsinstitutionen, und scheinbar in eine gute Richtung. Die später folgenden intensiven informellen Gespräche haben diesen Eindruck bestätigt.
Zwei Kernfragen stellen sich in diesem Zusammenhang:
- Werden die Rechts- und Verwaltungsfragen, d.h. wird die Bürokratie das Führungsleben in den Bildungsinstitutionen weiterhin so einengend dominieren wie bisher oder wird sie sich zum Dienstleister der Institutionen entwickeln?
- Wo liegen bereits heute die Freiräume, die von einer Führungskraft im Bildungsbereich eigenverantwortlich genutzt werden können zur Umgestaltung des Systems in Richtung einer Organisation, die junge Menschen tatsächlich auf eine Zukunft vorbereitet, die bereits in zehn Jahren ganz anders aussehen wird als wir uns das heute vielleicht vorstellen?
Wie wichtig diese Fragen für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft sind, ist mir durch diese Begegnung in Berlin erneut sehr bewusst geworden. Denn das erste Enabling im Leben eines jeden Menschen überhaupt findet durch Bildung und Erziehung statt. „Education is the Key to a Better Future – Worldwide“.
Fotos: Michael Gottschalk für die sdw
Vielen Dank für den Beitrag und Ihre Initiative- ich halte es für sehr wichtig diese Diskussion sehr offen zu führen. Noch das wird vielerorts mit einem Schmunzeln abgetan, gleichwohl gibt es klare Gründe, die Management (as we know it) schlicht unmöglich machen. Ein Beispiel ist das „Führen“ virtueller Teams, was erst einmal technisch klingt – aber schlicht der Lebensrealität immer mehr Menschen entspricht. Wenn also nur ein Mitarbeiter im Team im Ausland, Homeoffice oder nur in einer anderen Abteilung ist, Versagen herkömmliche Führungsmethoden.
Findet das noch global (verschiedene Kulturen) oder als nicht disziplinarisches Setup statt, muss aus vor allem im nicht produktiven Umfeld aus Vorgabe – Engagement, aus Managen – Führen, aus Kontrolle – Vertrauen und aus Automatismus – Individualismus werden. Das ist eine 180 Wende – aber im Verständnis „sowohl als auch“ – da je nach Thema, Persönlichkeit und Einordnung in der Wertschöpfungskette das Verhalten angepasst werden muss. Eine große Herausforderung für Führungskräfte, die in den Fußstapfen erfolgreicher Vorgänger-Manager groß geworden sind.
Spannend, diesen Wandel mit gestalten zu können!